Gedenkveranstaltung anlässlich der Pogromnacht vom 9. November 1938

Am 10. November 2025 erinnerte das Droste-Hülshoff-Gymnasium im Rahmen seiner jährlichen Gedenkveranstaltung an die Ereignisse des 9. November 1938.

In diesem Jahr prägte eine besondere Begegnung den Tag: Irene Bindel, eine Berliner Zeitzeugin, kehrte an ihre ehemalige Schule zurück – an den Ort, an dem sie von 1948 bis 1954 selbst Schülerin war, und las aus ihrem Buch „Wassermilch und Spitzenwein“ vor.

Geboren 1938, wuchs sie in einer Zeit zunehmender Ausgrenzung auf. Ihre Eltern, Andrea und Max Bindel, lebten in einer sogenannten „Mischehe“ – Andrea, eine Christin, hatte einen jüdischen Mann geheiratet. In einer Gesellschaft, die von Rassenwahn und Intoleranz geprägt war, wurde diese Ehe zum Angriffspunkt für Verfolgung und Erniedrigung. Die Familie führte zunächst einen kleinen Obst- und Gemüseladen in Karlshorst, bis die Nationalsozialisten ihr die wirtschaftliche Existenz nahmen. Schließlich wurde Max Bindel verhaftet – er kehrte nie zurück. Als Irene Bindel in der Aula – der Aula ihrer eigenen Schulzeit – von der letzten Begegnung mit ihrem Vater erzählte, wurde es still. Kein Geräusch, kein Flüstern – nur ihre ruhige, eindringliche Stimme, mit der sie von einem Moment sprach, der sich unauslöschlich in ihr Leben eingeschrieben hat.

Die heute 87-Jährige, eine kleine, elegante Frau voller Energie und Wärme, sprach über Angst, Ausgrenzung und über den Mut, sich dem Schicksal nicht zu beugen. Vor allem aber erzählte sie vom Mut ihrer Mutter, die in Zeiten von Hass und Verfolgung an Liebe, Menschlichkeit und der Überzeugung festhielt, dass nicht Herkunft oder Religion, sondern das Handeln des Einzelnen über Güte und Würde entscheidet.

Mit Entschiedenheit schloss Frau Bindel ihren bewegenden Bericht im Gedenken an Margot Friedländer – und hinterließ in der Aula einen letzten, klaren Appell: „Seid Menschen!“

Im Anschluss an die Lesung folgte der traditionelle Aufruf zum Stolpersteinputzen. Bereits zum dritten Mal wurde im Rahmen der Aktion „Droste zeigt Gesicht“ dazu animiert, die Stolpersteine in der Umgebung der Schule zu reinigen – als Zeichen lebendiger Erinnerung und wachgehaltener Verantwortung. Denn Erinnerungskultur braucht Pflege – ebenso wie Menschlichkeit.

Wir danken allen, die an dieser Veranstaltung mitgewirkt haben, und dem Förderverein für die Übernahme des Lesehonorars.

Katharina Schönrich und André Simon